Presse

Camille Claudel

Choreographische Einfälle helfen, seelische Vorgänge tänzerisch auszudrücken, die immer wieder zutiefst berühren. Und eine Choreographie, die wie ein Stück weiblicher Trauerarbeit nachwirkt.

Christine Adam, Badische Zeitung, Freiburg

Dauerbrenner Domino
Renate Killmanns Tanztheater wieder in Freiburg zu sehen

Qualität und Popularität müssen sich nicht ausschließen. Renate Killmann, Tänzerin und Choreographin, liefert derzeit in Freiburg den Beweis. Ihre Tanztheaterproduktion ist derzeit einsame Klasse in der Fülle freier Produktionen auf Freiburgs Bühnen (…) und gleichzeitig so etwas wie ein Renner.

Domino ist eine Variation auf ein uraltes Thema. Für das Spiel mit dem Motiv der Geschlechterrollen stand ein Bild aus der Griechischen Mythologie Pate. Mann und Frau waren einst ein Wesen, das den Göttern gefährlich zu werden drohte. Zeus entzweite den Menschen, um ihn zu schwächen. Was folgt, ist ein ewiges Anziehen und Abstoßen, eine seltsame Wechselwirkung wie bei den unterschiedlichen Polen eines Magneten. Das Thema ist schlicht, doch die Bilder, die Renate Killmann dazu entworfen hat, von bestechender Schönheit.

Willi Adam, Kultur Joker, Freiburg

Verena Weiss und Ensemble in „Elemente“, Foto: Werner Sandhaus

Elemente

Die Vielfalt des mitunter archaisch anmutenden Klangteppichs übertrug sich geradewegs auf das gleichfalls vielgestaltige Bewegungsrepertoire, das die größtenteils klassisch ausgebildeten Tänzer vorführten und damit bewiesen, welche Qualität freie Ensembles mit ihren zumeist bescheidenen Mitteln zu bieten haben.

Badische Neuste Nachrichten, Karlsruhe

Tanz nach dem Urgong: Tanztheater Renate Killmann mit „Elemente“

Begeisternder Tanz, begeistertes Publikum und ein Anfang zur modernen Neuentdeckung uralter Weltkonstanten.

Axel Brüggemann, Kultur Joker, Freiburg

Schumann Szenen

Renate Killmann hat – wie schon in den vorigen Produktionen – ein glückliches Händchen für Tänzer (…) Eine großartig eingetanzte Gruppe – vielleicht Freiburgs beste.

Axel Brüggemann, Kultur Joker, Freiburg

Mozart Movements

Großartig das Bild zum Streichquartett. Ausdrucksstarke Soli und Duette wechseln sich vor eindrucksvoller Kulisse ab.

Westfälischer Anzeiger, 03/2001

TanzTheater-Ensemble des Theaters Hagen in „go weast!“, Foto: Olaf Struck

go weast!

Hagens Ballettchefin traut sich was: Ein Tanzstück zu Philip Glass und Charles Yves zu präsentieren ist in dieser Stadt kein leichtes Unterfangen. In einem beeindruckenden Bühnenraum entwirft die Choreographin dichte, ausdrucksstarke Bilder. Ihre rasanten Schrittfolgen zu den vibrierenden Glassrythmen verlangen ihren größtenteils jungen Tänzern alles ab. Ein mutiges Stück, das leider schon Ende Januar wieder vom Spielplan verschwindet.

Andreas Meyer, PRINZ Stadtmagazin, 02/2002

Go Weast als Zeitreise in die Vergangenheit

Renate Killmann und Ausstatter Hartmut Krügener gelingt ein überaus ansprechendes Stück Tanztheater. Jung, dynamisch, spritzig kommt der Ensemble-Tanz daher. (…) Es sind die kunstvollen Impressionen, die originellen Bewegungscollagen (…), die „Go Weast“ zum spannenden Erlebnis machen. Hinsetzen, sehen und berauschen lassen.

Simone Thielmann, Ruhr Nachrichten, 12/2001

Und das Lied bleibt schön…

Beethovens „Große Fuge“ verlangt dem Ensemble Hochleistungen ab, die es bemerkenswert umsetzt. Raumgreifende, geordnete Formationen schaffen einprägsame Bilder und unterstreichen die archaische Wucht der Musik.

Westfälischer Anzeiger, 03/2002

Tempus: Die Macht des Uhrwerks

Dass sich Tanztheater in Hagen wieder richtig lohnt, stellt der neue Tanzabend von Renate Killmann eindringlich unter Beweis.

Ruhr Nachrichten, Schwerte 01/2003

Sandra Hajzer-Ockaji, Reinaldo Borges dos Santos, Angela Lili Stahn, Hilton Ellis in „La Valse“, Foto: Olaf Struck

Der Reigen / La Valse

Die allumfassende und zerstörerische Wucht von Liebe und Eros ist das Thema des letzten Tanzstücks, das Renate Killmann für das Theater Hagen entwarf. (…) Fazit: Ein Feuerwerk zum Abschied. Tschüss Frau Killmann. Schön war ́s.

Andreas Meyer, PRINZ Stadtmagazin, 05/2003

Der Reigen / La Valse

Auch wenn sie nicht weiß, nicht wissen kann, wie man Gedankenstriche choreografiert, hat sich ihr Wissen, was Tanz ist, was Tanz sein muss, in der Hagener Tretmühle nicht erschöpft.

Hartmut Regitz, ballet-tanz, 06/2003

 

 

 

 

Tanz in den Wahnsinn
Freiburg: Renate Killmanns Claudel/Rodin-Stück

Renate Killmann und Dietrich Schulz in „Camille Claudel“, Foto: Alexander Rosner

Das Leben und die Liebe fließen in die kunstvolle Form ein und die Form löst sich in der (Tanz-) Bewegung auf. Solche Prozesse zeigt Renate Killmanns Tanztheaterstück „Camille Claudel, Auguste Rodin“, dem das Freiburger Kulturamt zur Premiere verhalf, gleich auf mehreren Ebenen: an Gedichten Rilkes, an Kompositionen Debussys und an Skulpturen Rodins und Claudels.

Ungeheuer beziehungs- und anspielungsreich „verdichtet“ die erste eigene Tanztheaterproduktion der Freiburger Tänzerin und Choregraphin die Künstlerbeziehung zwischen Camille Claudel und Rodin. Diese tragisch endende Liebe wird zum getanzten Gleichnis der immergleichen Geschichte der Frau, die dem Mann nachfolgt. Von Adam und Eva über Orpheus und Eurydike hin zu den Orpheus-Gedichten Rilkes, die von der Begegnung Rilkes mit Rodin geprägt sind.

Acht Tänzer tanzen eindringlich menschliches Wachsen: wie Claudel, getanzt von Renate Killmann selbst, vom Modell zur Geliebten und Mitarbeiterin Rodins wird, wie die Liebe beiden Modell für ihre Skulpturen steht. Mit dem Tanz wird jedoch auch auf atemberaubende Weise der Schaffensprozeß beider nachempfunden: Die Tänzer erstarren zu Rodins Werken „Der Kuß“, „Die Danaide“, „Der Abschied“, zu Claudels Werken „Die Welle“, „Der Walzer“ und zu vielen anderen Skulpturen mehr, den Originalen verblüffend ähnlich. Auch Debussys Komposition „La Mer“ erhält eine Deutung als verewigter Lebens- und Liebesmoment mit Camille Claudel (Debussy getanzt von Nikolaus Freyer).

Choreographische Einfälle helfen, seelische Vorgänge tänzerisch auszudrücken, die immer wieder zutiefst berühren. Und eine Choreographie, die wie ein Stück weiblicher Trauerarbeit nachwirkt. Es ist die Frau, die die zerbrechende Liebe in den Wahnsinn treibt. Den Mann, Rodin, befähigt der Schmerz zu weiteren „großen“ Skulpturen – das betont Renate Killmann nachdrücklich. Doch zwei Männer trauern mit ihr. Dietrich Schulz als Rodin und Nikolaus Freyer als der „Marschierer“ lassen Rodins Skulptur als einen erschütternden Akt verzweifelter Schaffenswut entstehen.

Christine Adam, Badische Zeitung, 12/1989

Camille Claudel:
Liebe, Leiden, Leidenschaft

Camille Claudel, das ist das Drama einer künstlerischen Emanzipation, das ist das Ringen um eine Ebenbürtigkeit in jeder Hinsicht, das ist Tragik, und zwar nicht nur, weil es ein schlimmes Ende hat. Renate Killmann hat sich in ihrer sehr erfolgreichen Tanztheaterproduktion „So hast du mich zurückgekehrt…“ (noch nie war sie nicht ausverkauft) mit dieser Künstlerbeziehung beschäftigt. Auf die Rolle der Frau in der Kunst hat sie dabei besonderes Gewicht gelegt. Gern gesehen nämlich ist dieses Geschlecht als Muse („Karrierebegleiterin“ würde man heute sagen). Ihre Liebe ist dem Herrn die Inspiration (er erwidert sie nicht, sondern schafft). Weniger gern hingegen sieht man sie als gleichwertige Künstlerin, als Mensch mit eigenen Ideen. – (…) Renate Killmann (…) verfällt nicht der Einseitigkeit. Das biographische Künstlerdrama gestaltet Killmann als Drama beider. Denn Rodin wie Claudel waren Bildhauer, die es verstanden, ihre Plastiken aus der Bewegung heraus zu schaffen. Sie arbeiteten diese Bewegung ein in die Skulptur, so daß das Auge des Betrachters den körperlichen Schwung sich vollenden sieht. Killmanns Choreographie löst diese bildnerische Illusion der Bewegtheit ein. Sie ist dem Entstehen und Erstarren der lebendigen Plastik auf der Spur.

John von Düffel, Kultur Joker Freiburg, 07/1990

Frauenliebe und Leiden
„Schumann-Szenen“ von Renate Killmann

Ursula Frühe und Johannes Kriener in „Schumann Szenen“, Foto: Werner Sandhaus

Welch Tableau: der große Robert auf dem Podest – gleich vier Claras, die dem Komponisten zu Füßen liegen. Die Schumann-Ehe, eine höchst romantische Musikerverbindung – zumindest auf den ersten Blick: gegen den Willen des Vaters geschlossen, mit großer Kinderschar beglückt und kreativ. Ein Mythos, den die Choreographin Renate Killmann und der Musiker Ulrich Sprenger in ihren „Schumann-Szenen“ brechen wollen. Herausgekommen: eine kleine Tanzoper, ein Lebensbogen, der wissenschaftlich fundiert, nie aber schulmeisterlich didaktisch aufgebättert wird. Der Fragen stellt, statt zu antworten.

Killmann findet symbolische Bilder, ohne plakativ zu werden: „Der Ring an meinem Finger“: ein verschlungen komplexer Pas de Deux – ein Ringkampf. (…) Schließlich die große Wahnsinnsszene: Der irre verlassene Robert – erst dröhnt die Taubheit durch das Auditorium, dann stottert der konfuse Komponist zu fulminantem Orchesterglanz, zu Applaus und Gemurmel alphabetisch Städtenamen – authentisch das. Eine tiefgründige Offenbarung von menschlichem Verfall und dem, was ewig bleiben wird: große Musik. Da gehts an Fragen existentieller Substanz – ohne moralischen Zeigefinger.

Renate Killmann hat – wie schon in den vorigen Produktionen – ein glückliches Händchen für Tänzer. Die drei Claras (Ursula Frühe, Cecilia Morath, Isabel Maté) und Robert (Johannes Kriener) sind Meister körperlicher Präzision: spannungsvolle Oberkörperbeherrschung (…), exzellente Fußarbeit und Schauspielgesten. Eine großartig eingetanzte Gruppe – vielleicht Freiburgs beste.

Axel Brüggemann, Kultur Joker, 05/1999

Die weiße Ballerina als weise Tänzerin
Renate Killmann geht als Leiterin der Tanzcompagnie nach Hagen

Im Tanz ist alles etwas anders: An Stadttheatern wird er noch immer despektierlich als „dritte“ Sparte behandelt. Stets in der Spardiskussion. Allzeit in Gefahr. Kein Wunder also, dass sich das vielleicht spontanste Medium des Theaters längst neue Freiräume sucht. Sich in sogenannten Off-Produktionen entwickelt. Neue Formen in engem Kontakt zum Publikum und existentieller Bühnenwirklichkeit findet.

In Freiburg steht kaum eine andere Gruppe für den Erfolg ausserhalb des städtischen Theaters wie das Ballett von Renate Killmann. Vor 11 Jahren hat die quirlige Tänzerin ihre erste Choreographie an der Dreisam vorgestellt: Das Leben und Werk von Camille Claudel und Auguste Rodin als bewegungsreiche Spannungskonstellation getanzt. Mann und Frau, Künstler und Künstlerin, sind Themen, denen Killmann bis zu ihrer letzten Freiburger Produktion treu geblieben ist.
In den „Schumann Szenen“ hat sie die verklärte Künstlerliebe von Clara und Robert unter die Lupe genommen, den Mythos der Musiker-Leidenschaft seziert, zerlegt und psychologisch abgetanzt. Killmanns Stil ist von tiefen Wurzeln im klassischen Ballett geprägt, von einer formalen Strenge aber auch von individuellen Ausbrüchen. (…) Jetzt hat sich Freiburgs ambitionierteste Off-Tänzerin frei getanzt: Im Sommer übernimmt sie die Tanzcompagnie am Stadttheater Hagen als Leiterin und Chefchoreographin. Nach der 10-jährigen Experimentierphase findet sie nun endlich Ruhe, um in gesicherten Strukturen mit einem festen Ensemble zu laborieren. Zu beweisen, dass Tanztheater – auch an städtischen Häusern – mehr ist als eine „dritte Sparte“. (…) Für Killmann ist die Recherche am Thema die Grundlage ihrer Choreographien: „Erst in der intensiven Auseinandersetzung mit einer Person kann ich Schichten finden, die mich persönlich ansprechen und inspirieren“. Das Freiburger Publikum hat die Wandlungsfähigkeit der Sprachformen bei Killmann kontinuierlich verfolgen können. Nun geht sie nach Hagen und exportiert einen Teil der Freiburger Ergebnisse. (…) Freiburgs Publikum bleibt nur, auf Gastspiele zu warten und Glück zu wünschen. Alles Gute, Renate Killmann!

Axel Brüggemann, Kultur Joker, 05/2000

 

 

Tanzende Bilder zwischen Dollar und Dosenbier
Go Weast als Zeitreise in die Vergangenheit

Hagen. Zielstrebig stolzieren die Gestalten. Helle Trenchcoats, klotzige Koffer unterstreichen Geschäftigkeit. Business as usual im New Yorker Central Park. (…) „Go Weast“ zeichnet eine Reise durch das Amerika der 50-er, 60-er, 70-er und 80-er Jahre. Die Bilder tanzen zwischen Dollar und Dosenbier, Western und Vietnam, Rausch und Randale. Die Reise als Ur-Metapher menschlicher Existenz, zieht sich als Grundmotiv durch das Programm. „Ich reise, um zu sterben“, sagen die Akteure in unterschiedlichen Sprachen. Was sie eint, ist die hangelnde Suche nach Neuem, Weiterem aber auch nach Innerem, der Selbsterkenntnis. (…)

Das musikalische Skript liefert die 1990 uraufgeführte Kammeroper „Hydrogen Jukebox“ von Philip Glass und Allen Ginsberg sowie Charles Yves „Central Park in the Dark“. Die rhythmischen, kontrastiven Tonfolgen schreien geradezu danach, ertanzt zu werden.

Renate Killmann und Ausstatter Hartmut Krügener gelingt ein überaus ansprechendes Stück Tanztheater. Jung, dynamisch, spritzig kommt der Ensemble-Tanz daher. (…) Clou der Inszenierung ist zweifellos die nach hinten gewölbte Kulissenrampe. Spielerisch rennen die Tänzer mitten in die imposante Skyline hinein, Flanieren auf einsamer Landstraße in weiten Wüstentälern. Oder laufen, rutschen, schweben, tasten durch dichten Wolkenhimmel. Teil einer aller irdischen Sorgen entrückten Welt. Es sind die kunstvollen Impressionen, die originellen Bewegungscollagen und weniger die abstrakte, bisweilen wirre Thematik, die „Go Weast“ zum spannenden Erlebnis machen. Hinsetzen, sehen und berauschen lassen.

Simone Thielmann, Ruhr Nachrichten, 12/2001

Top-Aufführungen im Februar: Tempus

Die Geschichte von Hagens Ballettchefin Renate Killmann ist die der Prophetin, die im eigenen Lande nichts gilt. Mit außergewöhnlichen Tanzprojekten setzt sie seit zwei Jahren interessante Akzente in der Tanzlandschaft NRW (…).
In „Tempus“ stellt sie mutig drei eigene Tanzstücke neben Ausschnitte aus“A Choreographic Offering“, einer Choreographie zu Bach-Musik von José Limon. Damit ist das Hagener Ensemble die einzige Gruppe in NRW, die derzeit ein Stück des amerikanischen Modern-Dance-Titanen zeigt. Und das nicht irgendwie, sondern formvollendet und ausdrucksstark. In ihren eigenen Choreographien verarbeitet Renate Killmann Musik von Bach, Arvo Pärt und Steve Reich. Dabei schlägt sie gekonnt die Brücke von Limons Wurzeln zu ihrer eigenen Bewegungssprache. Fazit: Tanz pur. Schnell hingehen, solange es diese Truppe noch gibt.

Andreas Meyer, PRINZ Stadtmagazin 02/2003

Tempus: Die Macht des Uhrwerks
Vier Choreographien zum Thema Zeit von Renate Killmann im Tanztheater Hagen

Andrea Bily und Ensemble in „Tempus“, Foto: Olaf Struck

Überdimensional und übermächtig prangen die Verse aus dem alten Testament an der Bühnenwand: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.“

Prediger-Buch, 3. Auf den nackten Körpern davor malen sich die Buchstaben wie ein unlösliches Stigma ab. Dass sich Tanztheater in Hagen wieder richtig lohnt, stellt der neue Tanzabend von Renate Killmann eindringlich unter Beweis. Vier Choreografien zum Thema Zeit reihen die 14 Tänzer aneinander, darunter auch eine Inszenierung von José Limon, der mit seinem lyrisch-eleganten Tanz eine eigene Stilrichtung begründete.

Eine zarte Tänzerin ringt auf dem Boden mit eruptiven Bewegungen. Zielstrebig richtet sie sich auf, verharrt in einem Moment strahlender Souveräntität und sackt schliesslich erschöpft zusammen. (…) „Tempus“ nennt Renate Killmann ihre wohl stärkste Choreographie des Abends. Zur Bach-Collage von Arvo Pärt formt sie einen faszinierenden Zweikampf zwischen Individuum und anonymer Grösse, zwischen Mensch und Zeit. Sieben männliche Tänzer symbolisieren die Macht des Uhrwerks. Sie strotzen vor Kraft. Das fragile Wesen aus dem Vordergrund wird zu ihrem Spielball. Mal schubsen, mal zerren sie, mal werfen sie es respektlos durch die Luft.

Ganz anders die Variationen zur Musik von Johann Sebastian Bach: Klare Linien, aufrechte Oberkörper, akzentuierte Hebungen – das Ensemble fügt sich präzise in die mathematische Tektonik der barocken Klänge. Renate Killmann inszeniert zum Brandenburgischen Konzert Nr.3, kombiniert Schrittfolgen des klassischen Tanzes mit der erdigen Sprache des Modern Dance. (…)

Simone Thielmann, Ruhr Nachrichten 01/2003

 

TanzTheater-Ensemble in „La Valse“, Foto: Olaf Struck

Top-Aufführungen im Mai
Der Reigen / La Valse

Die allumfassende und zerstörerische Wucht von Liebe und Eros ist das Thema des letzten Tanzstücks, das Renate Killmann für das Theater Hagen entwarf. Als Basis dient ihr Arthur Schnitzlers Schauspiel „Der Reigen“ (…).

In Hartmut Krügeners drehtürartigem Bühnenraum gelingen Renate Killmann wunderschöne Soli und Pas de deux von bisher nicht gezeigter Intensität. Sie zeichnet stimmige Porträts und hat das Glück, die einzelnen Charaktere mit den unterschiedlichen Tänzerpersönlichkeiten ihres Ensembles passgenau besetzen zu können. Der intime Liebesreigen mündet in eine gewaltige Gruppenchoreographie zu Maurice Ravels morbider „La Valse“: ein letzter flammender Walzer, der die Herzen gierig umzüngelt, sie mit Hitze erfasst und verwüstet. Wow.

Fazit: Ein Feuerwerk zum Abschied. Tschüss Frau Killmann. Schön war ́s.

Andreas Meyer, PRINZ Stadtmagazin, 05/2003

Totentänze

Wie man Gedankenstriche choreografiert, kann auch Renate Killmann nicht sagen. Aber ganz so prüde wie die „Rosenkavalier“- Reklame vor der Tür befürchten lässt, ist das TanzTheater Hagen nicht. Das Plakat plagiiert zwar augenscheinlich Aubrey Beardsley, doch alles Geschlechtliche, das ahnt man nicht, kann der Kavalier allenfalls noch singen. Getanzt wird an diesem Abend allerdings von anderen.

Der Reigen / La Valse, das Abschiedsprogramm von Renate Killmann, spart das Eigentliche nicht aus, für das Arthur Schnitzler einst vielsagend seine Gedankenstriche gesetzt hat. Aber sie lässt in ihrer Szenenfolge der Einbildungskraft des Publikums noch so viel Raum, dass das skandalträchtige des Stücks spürbar wird. Das erste „Duett“ stückelt sie noch in erotische Posen. Das zweite lässt sich, verborgen hinterm Vorhang, lediglich vermuten. Nur das tänzerische Techtelmechtel zwischen dem „süßen Mädchen“ und dem Dichter geht so zur Sache, wie es der Zuschauer vielleicht erwartet – ohne dass sich die beiden bei aller Nacktheit eine Blöße geben. Im Gegenteil: von allen „Akten“ ist der zwischen Maria Eckert und Dorian Salkin der zarteste und zugleich bitterste. Nicht umsonst folgt ihm als Einschub ein „Abgesang auf das kurze Glück der Lust“. Renate Killmann choreographiert ihn auf „Verlassen“, ein Chanson von Georg Kreisler.

Vom „Valse triste“ eines Jean Sibelius bis zum zweiten der „Valses nobles et sentimentales“ reicht der „Reigen“, der unmittelbar in den abschließenden „Valse“ Maurice Ravels überleitet: ein doppelter Totentanz, der nicht nur vom „kleinen Tod“ handelt, sondern auch vom großen – getrennt voneinander durch eine kurze Umbaupause. Gut zwei Stunden lang lässt die Hagener TanzTheater-Chefin dabei die Bühne kreisen, und bevor einen das ewige Zweierlei nervt, sorgt sie mit konzentrierten Charaktervignetten für Abwechslung. Da ein kurzes Solo, das über die Befindlichkeit der jeweiligen Person tanzend Auskunft gibt. Dort ein Armeleuteball, aus dem sich der Soldat das Stubenmädchen herausgreift. Zwischendurch eine Grablege wie im Mittelalter und doch eine gute Gelegenheit für die Eheleute. Am Ende ein Bett, in dem der Graf nach seinem Auftritt mit der Schauspielerin entschlummert, um anschließend in den Armen der Dirne wieder aufzuwachen. Alles einfallsreich, persönlichkeitsstark choreogafiert und dabei so tanztheaterhaft aufbereitet, dass es eine Lust ist, zuzuschauen. Und die muss sein, wenn das Stück von der Begierde (und ihrer Befriedigung) erzählt.

Das Publikum lässt sich nicht lange bitten und feiert Renate Killmann, als wüsste man, was das Theater mit ihr verliert. Nach drei Jahren nimmt die Humphrey-Expertin Abschied von einer Bühne, die dank ihrer Mithilfe zum ersten Mal eine Arbeit José Limons erlebt hat, auf der erstmals ein Philip Glass zu sehen war – nicht zu vergessen ein paar Tanztheaterstücke einer Künstlerin, die anders als ihr Nachfolger nicht den Weg des geringsten Widerstands geht. Auch wenn sie nicht weiß, nicht wissen kann, wie man Gedankenstriche choreografiert, hat sich ihr Wissen, was Tanz ist, was Tanz sein muss, in der Hagener Tretmühle nicht erschöpft.

Hartmut Regitz, ballet-tanz, Juni 2003

Yi Cheng und Dorian Salkin in „Der Reigen“, Foto: Olaf Struck